„Warum liefern manche Teams alle zwei Wochen funktionierende Software – während andere monatelang feststecken?“ Die Antwort lautet agile Softwareentwicklung. Aber nur, wenn man sie richtig versteht und umsetzt.
Die agile Softwareentwicklung fördert eine enge Zusammenarbeit in selbstorganisierenden Teams und sichert eine hohe Veränderungsgeschwindigkeit. Dadurch werden Softwareprojekte effizienter und flexibler gestaltet. Im Folgenden erläutern wir die Prinzipien, Praktiken und Frameworks, die die agile Softwareentwicklung prägen.
Agile Softwareentwicklung: Ein Überblick
Agile Softwareentwicklung hat sich als Standard für die Entwicklung digitaler Produkte und Lösungen etabliert, da sie eine effizientere und effektivere Softwareerstellung ermöglicht. Ein zentrales Merkmal ist die enge Zusammenarbeit in kleinen, selbstorganisierenden Teams, die flexibel auf Kundenfeedback reagieren können. Der Begriff “agil” wurde erstmals 2001 im Kontext der Softwareentwicklung verwendet und stellt eine Antwort auf die Einschränkungen traditioneller Wege dar.
Im Gegensatz zu traditionellen Methoden wie dem Wasserfallmodell, bei dem jede Phase des Entwicklungsprozesses abgeschlossen sein muss, bevor die nächste beginnt, ermöglicht die agile Entwicklung eine gleichzeitige Durchführung mehrerer Phasen. Dies erhöht die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Teams und führt zu schnellerem und effizienterem Fortschritt.
Agile Softwareentwicklung fördert die enge Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten und stellt sicher, dass die entwickelten Lösungen den Anforderungen und Erwartungen der Kunden entsprechen.
Die vier zentralen Werte der agilen Softwareentwicklung

Die agilen Werte sind das Herzstück der agilen Softwareentwicklung und bilden die Grundlage für ihre Prinzipien und Praktiken. Hier eine kompakte Übersicht mit praktischen Beispielen:
Wert | Bedeutung in der Praxis | Kontrast zum Wasserfall |
Individuen und Interaktionen | Teammitglieder und Kunden arbeiten direkt zusammen, um Probleme schnell zu lösen. | Fokus auf Dokumentation und Prozesse, was zu Verzögerungen führen kann. |
Flexibilität bei Änderungen | Anpassung an neue Anforderungen in jedem Entwicklungsstadium. | Strikte Planverfolgung, Änderungen sind kostspielig und zeitaufwendig. |
Funktionierende Software | Schnelle Lieferung von funktionsfähigen Lösungen, die echten Mehrwert bieten. | Umfangreiche Dokumentation, die oft nicht genutzt wird. |
Kunden-Zusammenarbeit | Kontinuierlicher Austausch mit Kunden zur Sicherstellung der Zufriedenheit. | Fokus auf Vertragsverhandlungen und feste Anforderungen. |
Diese Werte fördern eine offene und effektive Kommunikation, ermöglichen schnelle Anpassungen und stellen sicher, dass die entwickelten Lösungen den tatsächlichen Bedürfnissen entsprechen.
Die zwölf Prinzipien der agilen Softwareentwicklung
Neben den zentralen Werten definiert das agile Manifest zwölf Prinzipien, die die agile Softwareentwicklung leiten. Diese Prinzipien legen den Fokus auf:
1. Kundenzufriedenheit durch frühe und kontinuierliche Auslieferung wertvoller Software.

Im Gegensatz zum Wasserfall-Modell, bei dem Kunden oft monatelang auf ein fertiges Produkt warten müssen, steht bei agilen Konzepten die frühe Wertlieferung im Vordergrund.
Spotify's Erfolgsgeschichte: Spotify hat das Prinzip der agilen Softwareentwicklung erfolgreich umgesetzt, indem sie ihre Entwicklungsteams in autonome "Squads" organisiert haben. Diese Struktur ermöglichte es Spotify, schneller zu innovieren und Features häufiger auszuliefern. Das Ergebnis: Spotify konnte seine Nutzerbasis auf 191 Millionen monatlich aktive Nutzer ausbauen und erreichte 2018 einen Umsatz von 4,6 Milliarden Dollar.
2. Willkommene Änderungen der Anforderungen, selbst spät in der Entwicklung.
Während traditionelle Entwicklungsmethoden Änderungen als kostspielige Störfaktoren betrachten, umarmt der agile Ansatz Veränderungen als Chance zur Verbesserung.
Microsoft's Transformation: Microsoft erkannte, dass ihre traditionellen Entwicklungsmethoden zu langsam und starr waren, um mit dem schnellen technologischen Fortschritt und wechselnden Kundenerwartungen Schritt zu halten. Durch die Einführung agiler Praktiken konnten sie schneller auf Kundenfeedback reagieren und ihre Produkte entsprechend anpassen. Die Entwicklungsteams arbeiteten in kurzen, iterativen Zyklen und lieferten inkrementelle Updates und Verbesserungen. Diese iterative Herangehensweise ermöglichte kontinuierliches Feedback und schnelle Anpassungen, was zu besseren Endprodukten führte.
3. Häufige Lieferung funktionierender Software.

Agile Teams konzentrieren sich auf regelmäßige Releases statt auf große, seltene Veröffentlichungen.
IBM's Revitalisierung:** IBM, ein globales Technologie- und Beratungsunternehmen, erzielte durch den Wechsel zu agilen Methoden schnellere Entwicklungszyklen, häufigere Releases und qualitativ hochwertigere Softwareprodukte. Dies führte zu einer verbesserten Teammoral und Produktivität, da die Teams mehr Eigenverantwortung erhielten und kollaborativer arbeiteten.
4. Tägliche Zusammenarbeit zwischen Fachexperten und Entwicklern
Im Gegensatz zu traditionellen Modellen, bei denen Fachbereiche und Entwicklung oft getrennt arbeiten, fördert Agile die tägliche Interaktion.
ING Netherlands' Transformation: Die niederländische Bank ING implementierte ein agiles Modell, inspiriert von Spotify, um die Zusammenarbeit zwischen Fachexperten und Entwicklern zu verbessern. Durch die Strukturierung ihrer 2.500 Mitarbeiter in Squads, Tribes und Chapters erzielte ING eine schnellere Markteinführung, erhöhtes Mitarbeiterengagement und eine verbesserte Kundenerfahrung. Diese Umstellung zeigt, dass das Spotify-Modell auch außerhalb der Softwareentwicklung erfolgreich angewendet werden kann.
5. Unterstützung motivierter Individuen durch Vertrauen und eine förderliche Umgebung
Während hierarchische Organisationen oft auf Kontrolle setzen, betont Agile Vertrauen und Eigenverantwortung.
Aussie Bank's Kulturwandel: Eine australische Bank nutzte ihre 25-Millionen-Dollar-Markeneinführung im Jahr 2016, um agile Methoden zu testen. Ein wesentlicher Katalysator war der Umzug in neue, kollaborative Räumlichkeiten und ein umfassendes agiles Trainingsprogramm. Nach 18 Monaten nutzt Aussie nun zweiwöchige Sprints und kombiniert physische Boards mit digitalen Tools. Das Ergebnis: Ein starkes Team, das sich auf die richtigen Prioritäten konzentriert.
6. Effiziente und direkte Kommunikation im Team

Statt umfangreicher Dokumentation und formeller Meetings setzt Agile auf direkte Gespräche und unmittelbare Problemlösung.
Deakin University's Effizienzsteigerung: Die Deakin University implementierte agile Methoden, um die Produktivität zu steigern und die Kommunikation zu verbessern. Durch projektbasierte Teamarbeit und kleinere Arbeitseinheiten erzielten sie beeindruckende Ergebnisse: gesteigerte Produktivität durch Mitarbeiterermächtigung, reduzierte Meetings und E-Mails sowie verbesserte Echtzeit-Kommunikation.
7. Funktionierende Software als primäres Fortschrittsmaß
Anders als bei traditionellen Methoden, die Fortschritt oft an Dokumentation oder abgeschlossenen Phasen messen, zählt bei Agile das lauffähige Produkt.
Atlassian's Jira-Implementierung: Eine große Finanzdienstleistungsfirma arbeitete mit Cprime zusammen, um von IBM Rational Team Concert (RTC) zu Atlassian Jira zu wechseln. Die Umstellung war notwendig, da RTC Engpässe in einem bereits komplexen Lieferprozess verursachte. Cprime entwickelte eine anpassbare Schema-Vorlage für Jira, die drei verschiedene Detailebenen in einer kohärenten Plattform zusammenführte. Diese Lösung ermöglichte es allen Geschäftsbereichen, auf die gleiche Weise eingearbeitet und geschult zu werden. Die Einführung von Jira Align war besonders bahnbrechend, da es Berichtsfunktionen eröffnete, die zuvor nicht existierten.
8. Nachhaltige Entwicklung durch gleichmäßiges Tempo
Im Gegensatz zu Projekten mit "Crunch-Zeiten" strebt Agile ein nachhaltiges, gleichmäßiges Arbeitstempo an.
NCR's Skalierbare Transformation: NCR's Skalierbare Transformation: NCR implementierte Jira Align, um ihre Scaled Agile Framework (SAFe) Transformation zu unterstützen. Diese Integration mit Jira Software und Confluence führte zu einem nachhaltigeren Entwicklungstempo und verbesserter Koordination zwischen Projekten. Das Ergebnis war eine effizientere strategische Planung und tägliche Ausführung, die alle Beteiligten im Gleichschritt hielt.
9. Technische Exzellenz und gutes Design

Während kurzfristige Lösungen in traditionellen Projekten oft zu technischen Schulden führen, betont Agile kontinuierliche technische Verbesserung.
Boeing's Agile Erfolg: Boeing, ein führendes Luft- und Raumfahrtunternehmen, konnte durch die Einführung von Agile und Scrum effizientere Projektmanagementprozesse etablieren. Dies führte zu verkürzten Entwicklungszyklen und einer verbesserten Produktqualität. Boeing meisterte Änderungen im Projektumfang und in den Anforderungen effektiver, was zu erfolgreicheren Projektergebnissen führte. Diese Transformation zeigt, wie technische Exzellenz und gutes Design durch agile Methoden auch in komplexen, regulierten Umgebungen gefördert werden können.
10. Einfachheit – die Kunst, die Menge nicht getaner Arbeit zu maximieren
Im Gegensatz zu feature-überladenen Produkten traditioneller Entwicklung fokussiert sich Agile auf das Wesentliche.
Adobe's Konkurrenzkampf mit Microsoft: Adobe stand vor der Herausforderung, ein Konkurrenzprodukt zu Microsoft Word zu entwickeln. Ein traditioneller Wasserfall-Ansatz hätte den Entwicklungsprozess starr und langwierig gemacht, mit Phasen für Anforderungssammlung, Design, Codierung und Tests, die insgesamt etwa 10 Monate in Anspruch genommen hätten. Der Kunde hätte das Endprodukt erst am Ende gesehen, was späte Änderungen erschwert hätte. Mit agilen Methoden konnte Adobe jedoch frühzeitig Feedback einholen und sich auf die Funktionen konzentrieren, die den Kunden echten Mehrwert boten.
11. Selbstorganisierte Teams, die die besten Architekturen und Designs entwickeln
Im Kontrast zu top-down gesteuerten Projekten vertraut Agile auf die kollektive Intelligenz selbstorganisierter Teams.
CA Technologies' Agile Reorganisation: CA Technologies, ein Softwareunternehmen, hat durch die Umstrukturierung in selbstorganisierte Teams die Erfolgsquote verdreifacht. Diese Teams konnten schneller auf Marktveränderungen reagieren und innovative Lösungen entwickeln, was zu einer höheren Motivation und besseren Ergebnissen führte.
12. Regelmäßige Reflexionen zur Effizienzsteigerung
Anders als bei traditionellen Post-Mortem-Analysen am Projektende fördert Agile kontinuierliche Verbesserung durch regelmäßige Reflexion.
British Broadcaster's Agile Transformation: Ein britischer Rundfunksender hatte Schwierigkeiten, 50 Teams in acht Geschäftsbereichen zu koordinieren, was zu Informationssilos führte. Durch die Entwicklung eines maßgeschneiderten Agile-Frameworks und die Standardisierung der Jira-Nutzung wurden die Prozesse und Werkzeuge optimiert. Das Ergebnis: Alle Teams arbeiten nun mit standardisierten Prozessen und konsolidierten Tools in Jira, was zu verbesserter Zusammenarbeit und Effizienz führte.
Fazit: Agile Prinzipien in der realen Welt
Agile Prinzipien liefern in der Praxis messbare Ergebnisse – wenn sie konsequent umgesetzt werden. Erfolgreiche Transformation erfordert mehr als die Übernahme von Methoden. Es braucht kulturellen Wandel, Vertrauen und kontinuierliches Lernen.
Agile Frameworks im Detail
Agile Frameworks sind strukturierte Ansätze, die darauf abzielen, agile Werte sowohl im Projektmanagement als auch in der Produktentwicklung zu fördern. Sie bieten einen Rahmen aus Regeln, Prozessen, Rollen und Praktiken, um agile Methoden effizient einzusetzen.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen agilen Frameworks und agilen Methoden besteht darin, dass Frameworks Strukturen vorgeben und das "Was" definieren, während Methoden konkrete Vorgehensweisen und das "Wie" beschreiben.
Im Folgenden betrachten wir die Details und Besonderheiten der drei bekanntesten Frameworks.
Scrum – Das Rückgrat agiler Teams
Scrum ist das mit Abstand am häufigsten genutzte agile Framework im Softwareentwicklungsprozess. Laut dem State of Agile Report 2023 setzen über 87 % aller agilen Entwicklerteams weltweit auf Scrum oder Scrum-ähnliche Methoden. Der Ansatz eignet sich besonders für komplexe Projekte mit hohem Veränderungspotenzial, da er feste Strukturen mit maximaler Flexibilität kombiniert.
Die Rollen im Scrum-Team
Ein vollständiges Team besteht aus genau drei Rollen:
- Product Owner: Verantwortlich für die Priorisierung des Product Backlogs und die Maximierung des Produktwerts.
- Scrum Master: Unterstützt das Team als Coach, entfernt Hindernisse und stellt sicher, dass der Prozess eingehalten wird.
- Entwicklungsteam: Ein cross-funktionales, selbstorganisiertes Team, das die geplanten Aufgaben eigenständig umsetzt.
Alle drei Rollen sind gleichwertig und unverzichtbar – ein fehlender Scrum Master oder ein Product Owner ohne Entscheidungskompetenz unterminiert das gesamte System.
Sprints – der Taktgeber für schnelle Ergebnisse
Scrum arbeitet in fest definierten Zeitboxen, sogenannten Sprints, die typischerweise zwei bis vier Wochen dauern. Zu Beginn eines Sprints wählt das Team gemeinsam die wichtigsten User Stories aus dem Backlog aus – das sind konkrete Anforderungen aus Nutzersicht, z. B. „Als Kunde möchte ich mein Passwort ändern können“.
Am Ende jedes Sprints steht ein funktionierendes Produktinkrement, das in einem Review-Meeting Stakeholdern präsentiert wird. So entsteht ein schneller Feedback-Zyklus: Anforderungen werden nicht monatelang geplant, sondern laufend ausprobiert, validiert und angepasst.
Kontinuierliche Verbesserung durch Retrospektiven
Ein zentrales Element der Methode ist die Sprint-Retrospektive, die nach jedem Sprint stattfindet. Anders als klassische Projekt-Postmortems fokussiert sich die Retrospektive auf direkte Umsetzbarkeit: Was hat funktioniert? Was nicht? Welche Arbeitsweise ändern wir konkret im nächsten Sprint?
Entwicklerteams, die Retrospektiven ernst nehmen und Veränderungen tatsächlich implementieren, steigern nachweislich ihre Produktivität, Reaktionsfähigkeit und Teamzufriedenheit. Ohne diese Reflexionsschleife bleibt Scrum eine bloße Entwicklungsmethode – mit ihr wird es zur lernenden Organisation.
Typische Herausforderungen bei der Einführung
Viele Unternehmen scheitern nicht an der Theorie, sondern an der Praxis:
- Der Product Owner ist nur nebenbei verfügbar – Entscheidungen bleiben aus, das Team stagniert.
- Der Scrum Master wird zur Projektassistenz degradiert – statt als Coach zu agieren.
- Stakeholder erwarten „Wasserfall mit Stand-ups“ – statt inkrementeller Lieferung.
Das Modell funktioniert nur, wenn alle Beteiligten die Prinzipien verstehen und ernst nehmen – inklusive Führungsebene.
FAQ: Scrum auf den Punkt
Wie groß sollte ein Scrum-Team sein?Ideal sind 5–9 Personen. Zu kleine Teams verlieren an Schlagkraft, zu große an Koordination.
Was unterscheidet Scrum von Kanban?Das Framwork arbeitet mit festen Iterationen, Rollen und Events. Kanban ist kontinuierlich, flussbasiert und ohne vordefinierte Sprints.
Wann ist das Modell ungeeignet?Wenn Anforderungen völlig stabil sind oder das Team keine Selbstorganisation zulässt, ist Scrum oft Overkill – ein einfacher Projektplan reicht dann aus.
Wie lange dauert eine Scrum-Einführung im Unternehmen?Je nach Reifegrad und Kultur: zwischen 3 Monaten (Pilotteams) und mehreren Jahren (Skalierung + Kulturwandel).
Kanban – Agilität ohne Sprints
Während Scrum auf feste Iterationen, definierte Rollen und klar strukturierte Events setzt, verfolgt Kanban einen anderen Ansatz: kontinuierlicher Fluss statt Sprint-Taktung. Ursprünglich aus der Automobilproduktion bei Toyota stammend, wurde Kanban für die Softwareentwicklung angepasst – mit einem Ziel: maximale Transparenz, minimale Verschwendung.
Das Kanban-Board: Arbeit sichtbar machen
Zentrales Werkzeug im Kanban-System ist das Kanban-Board. Es visualisiert den Workflow des Teams – von „To Do“ über „In Progress“ bis hin zu „Done“. Jede Aufgabe wird als Karte dargestellt, die durch diese Spalten wandert.
Beispielhafte Spalten:
To Do | In Arbeit | Code Review | Test | Erledigt |
Durch diese Visualisierung erkennt das Team sofort, wo sich Aufgaben stauen, wo Engpässe entstehen – und wo Kapazitäten frei sind.
Work-in-Progress-Limits: Fokus statt Multitasking
Ein zentrales Prinzip von Kanban sind die sogenannten WIP-Limits (Work In Progress). Sie legen fest, wie viele Aufgaben gleichzeitig in einer Spalte bearbeitet werden dürfen. Das verhindert Multitasking, reduziert Kontextwechsel und fördert den Abschluss begonnener Arbeit.
Beispiel:„In Arbeit“ darf maximal 3 Tickets enthalten. Kommt ein viertes, muss erst etwas abgeschlossen werden, bevor Neues begonnen wird.
Effekt: Höherer Durchsatz, weniger Fehler, klarer Fokus.
Keine Rollen, keine Sprints – aber klare Regeln
Kanban kommt ohne feste Rollen oder Timeboxen aus. Es gibt keinen Scrum Master, keinen Sprint, kein Planning. Dafür ist das System radikal anpassbar: Es kann in bestehenden Prozessen eingeführt werden, ohne diese komplett zu ändern.
Typische Praktiken im Kanban-Kontext:
- Pull-Prinzip: Aufgaben werden vom Team „gezogen“, wenn Kapazität da ist – statt zugewiesen zu werden.
- Cumulative Flow Diagram (CFD): Visualisiert Engpässe über die Zeit hinweg.
- Service-Klassen: Aufgaben können mit Prioritätsklassen versehen werden (z. B. „Dringend“, „Standard“, „Fix-Date“).
Wann eignet sich Kanban besser als Scrum?
Kanban ist nicht „weniger agil“, sondern anders agil. Es eignet sich besonders, wenn:
- Anforderungen kontinuierlich reinkommen, z. B. im Support, in Ops-Teams oder der Wartung.
- Prioritäten sich oft spontan ändern.
- Sprint-Planung zu starr oder zu aufwändig ist.
- Ein Team noch nicht reif für Selbstorganisation nach Scrum ist.
Beispiel: Ein IT-Service-Team in einem Unternehmen bekommt täglich neue Tickets. Statt diese in zweiwöchigen Taktungen zu bündeln, kann Kanban helfen, den Fluss zu optimieren – ganz ohne Iterationen.
FAQ: Kanban auf einen Blick
Kann man Scrum und Kanban kombinieren?Ja – viele Teams nutzen ein sogenanntes Scrumban, das die Struktur von Scrum mit dem Flussmodell von Kanban verbindet.
Gibt es im Kanban feste Meetings?Nein, aber regelmäßige Retrospektiven und Daily Stand-ups werden empfohlen – sind aber nicht vorgeschrieben.
Was ist der größte Vorteil von Kanban?Transparenz + Flexibilität. Arbeit wird sichtbar, Engpässe messbar, Prioritäten flexibel anpassbar – ohne das Team mit festen Terminen zu belasten.
Extreme Programming (XP) – Agilität für Entwickler
Extreme Programming (XP) ist ein technikorientiertes agiles Framework. Es ergänzt andere Methoden, indem es konkrete Praktiken zur Verbesserung von Codequalität, Zusammenarbeit und Liefergeschwindigkeit vorgibt.
Wichtige XP-Praktiken im Überblick
Test-Driven Development (TDD):Zuerst wird ein Test geschrieben, erst danach der passende Code. Das fördert sauberes Design und reduziert Fehler von Beginn an.
Pair Programming:Zwei Entwickler arbeiten gemeinsam an einem Rechner. Einer schreibt, der andere denkt mit. Diese Methode verbessert die Codequalität und beschleunigt den Wissenstransfer.
Continuous Integration:Mehrmals täglich wird Code ins zentrale Repository integriert und automatisch getestet. Fehler fallen frühzeitig auf, lange Regressionsphasen entfallen.
Refactoring:XP fordert kontinuierliche Verbesserung des Codes. Altlasten werden regelmäßig überarbeitet, bevor sie zu Problemen führen.
Typische Merkmale der XP-Arbeitsweise
- Kurze Release-Zyklen: neue Features werden häufig ausgeliefert
- Gemeinsame Codeverantwortung im gesamten Team
- Nachhaltiges Arbeitstempo statt Überstundenkultur
Wann XP sinnvoll ist
XP eignet sich besonders, wenn:
- hohe technische Qualität gefordert ist
- sich Anforderungen häufig ändern
- das Team Erfahrung in Softwareentwicklung und Testautomatisierung mitbringt
Weniger geeignet ist XP in Umfeldern ohne technische Reife oder wenn schnelle Prototypen wichtiger sind als langfristige Wartbarkeit.
Häufige Fragen zu XP
Wie unterscheidet sich XP von Scrum?Scrum regelt primär Meetings und Rollen. XP fokussiert sich auf die technische Umsetzung – beide Methoden lassen sich kombinieren.
Ist TDD nicht aufwändig?Zu Beginn ja. Langfristig spart es Zeit durch weniger Bugs und bessere Wartbarkeit.
Muss man alle XP-Praktiken anwenden?XP ist als Gesamtsystem gedacht. Einzelne Elemente lassen sich isoliert nutzen, entfalten aber gemeinsam die größte Wirkung.
Fazit: Menschen im Mittelpunkt – Das Herz agiler Transformation
Bei aller Diskussion über Frameworks, Methoden und agile Prozesse dürfen wir nicht vergessen, worum es bei Agilität im Kern geht: Menschen. Die verschiedenen Frameworks bieten lediglich Strukturen, um das zu ermöglichen, was wirklich zählt – eine Kultur der Zusammenarbeit, des Vertrauens und der kontinuierlichen Verbesserung. Der wahre Erfolg agiler Transformation zeigt sich nicht in perfekt umgesetzten Zeremonien oder vollständig ausgefüllten Kanban-Boards, sondern in motivierten Teams, zufriedenen Kunden und innovativen Produkten. Wählen Sie daher nicht nur ein Framework, das zu Ihren Prozessen passt, sondern eines, das Ihre Unternehmenskultur und die Menschen darin zum Blühen bringt.